Freitag, 28. August 2009
Umtriebig
Unlängst hat mich jemand angeschrieben, weil ich in seinem "Blog" etwas kommentiert habe. Eigentlich war ich gar nicht so wild darauf, mit ihm zu reden, denn er war irgendwann einmal mit C. befreundet, was bedeutet, dass ich mich hinsichtlich dieses Themas völlig bedeckt halten muss. Das ist nicht eben meine große Stärke...
Wir plauderten also ein wenig und ich erfuhr das ein oder andere über C., das ich noch nicht wusste, zum Beispiel, dass er ganz gern T.s Exfreundinnen angegraben hat. Eine sei mal bei ihm eingeschlafen, weil er zwei Stunden lang nichts gesagt hat außer Ja und Nein. Gemessen daran hab ich's doch ganz gut mit ihm zusammengebracht. T. Jedenfalls verwirrte mich recht schnell. Er schaffte es innerhalb von zehn Minuten, sich zweimal zu widersprechen, aber nicht auf eine Weise, die mir bedeutet, dass er versucht mich zu belügen, sondern auf eine Weise, die verrät, dass er völlig verwirrt sein muss. Ich konnte ihm wirklich nicht so ganz folgen. Erst erzählte er, er würde sich fast nie verlieben. Dann erzählte er, wie die Frauen, die bei ihm durchs Bett wandern, ihn ausnützen. "Danach dusche ich immer eine halbe Stunde, weil ich mich schmutzig fühle." Weiter sagte er dann, er warte, dass sich Gefühle bei ihm regten, was aber meist nicht der Fall wäre. Soweit kann ich das noch irgendwie nachvollziehen. Wenig später hat er dann den 180°-Schwenk gemacht und erzählt, dass die Frauen, die er abschleppen würde, ihn meist sowieso nicht interessieren, dass er danach eigentlich keine Lust mehr hätte, sie noch zu sehen usw. Zuletzt drängte er plötzlich darauf, mich zu treffen. Er wollte mich regelrecht überreden. Ich hatte mir schon vorgenommen, davon Abstand zu nehmen. Der Typ ist mir nicht geheuer. Schließlich sagte er mir ganz deutlich, er müsse jetzt wissen, ob es sich lohne, weiter Zeit zu investieren, er wolle mich unbedingt ins Bett kriegen und wenn keine Aussicht darauf bestünde, wäre das hier Zeitverschwendung. Irgendwie fand ich das amüsant und empfahl ihm, seine Zeit besser anderweitig zu verschwenden. Er verabschiedete sich dann – und kehrte wieder zurück, um mir nochmal die Chance zu geben, meine Meinung zu überdenken. Ich fragte ihn, ob ihm überhaupt klar sei, was er da redet. Es ist schon irgendwie ein starkes Stück: Da bekommt man unverblümt gesagt, dass man nur abgeschleppt werden soll und dann soll man sich noch unverbindlich treffen. Er verschwand wieder und kehrte ebenso schnell zurück, um mir zu sagen, dass ich ihn fertig mache und er nicht wisse, was er mit mir anfangen solle. Normalerweise seien die Frauen zu diesem Zeitpunkt entweder schon "auf Igno" oder "auf dem Weg zu ihm". Er verkrümelte sich wieder, um wenig später zurückzukehren. Er würde gerade merken, dass ich ihm gefährlich werden könnte. Er wolle sich nicht verlieben und von daher dürften wir uns nicht mehr schreiben. Er laufe mir ohnehin schon viel zu sehr nach. Langsam wurde es anstrengend, seinen Gedankengängen zu folgen. Ich sagte ihm, dass nur er mich zu einer Gefahr machen könne und dass er das doch alles mal entspannt betrachten solle. "Ich kann das nicht kontrollieren, in wen ich mich verliebe. Meine Gefühle machen mich fertig." Irgendwo kann ich das ja verstehen. Wenn ich verliebt bin, werde ich zu nem mittelschwerem Psychopathen. Und da dies sicher keine Bindung wäre, aus der Gutes erwachsen würde (jedenfalls nicht für mich), war ich auch nicht böse über dieses Ende. Ich fand es nur schade, weil ich ihn gerne besser kennengelernt hätte und es nett fand, mit ihm zu chatten.
Ich schrieb ihm das so und fügte hinzu, wenn er es sich anders überlege, könne er sich gerne melden. Er verschwand. Und kehrte wenig später wieder mit der Nachricht: "Wenn du es dir anders überlegt hast, weißt du ja, wo du mich findest." Ich stand auf der Leitung. Er führte dann näher aus, dass, für den Fall, wo ich mir vorstellen könnte, für ihn Gefühle entwickeln zu können, ich mich bei ihm melden solle. "Das wird schwierig werden, wenn wir keinen Kontakt haben", erwiderte ich. Er bat mich dann noch einmal, dass wir uns treffen, aber inzwischen war ich dermaßen verwirrt, dass ich ihm empfahl, einfach nochmal drüber zu schlafen. Das wollte er dann auch nicht. Seine Entscheidung stand fest. Entweder sofort festmachen, dass wir uns treffen oder aber nie mehr chatten. Ich saß irgendwann nur noch kopfkratzend vorm PC und fragte mich, ob ich auf andere auch so verwirrt wirke, wenn ich verliebt bin. Wie schwer muss es ein Mensch haben, dessen ganzes Leben von dieser Verwirrung beherrscht wird? Er hat ja jeden Tag völlig neue, andere Extreme. Am einen Tag will er seine Exfrau zurück hierher holen und braucht dafür 40000, die er nicht hat; am nächsten Tag will er zu einer Freundin nach B. ziehen; am nächsten Tag will er sich nicht in mich verlieben. Ich hatte so den Eindruck, er stochert im Dunkeln, bis er irgendeinen Auftrag findet, der seine innere Leere füllt.
Ich habe ihm gesagt, er solle versuchen, zur Ruhe zu kommen, dann könne er seine Probleme viel effektiver angehen. Aber ich glaube, er hat noch nicht verstanden, dass diese Unruhe nicht mit Drogen, Parties, Frauen oder Reisen zu lösen ist. Das sind allenfalls kurzfristige Ablenkungen. Leider kann man als Außenstehender so eine Erkenntnis nicht herbeiführen. Das muss wohl von selbst kommen.
Mein erster "Dauerfreund" R. war auch so ein umgetriebener Mensch. Irgendwie hat ihm daheim die Nestwärme gefehlt. Ruhe konnte er nur in der Gegenwart anderer, insbesondere bei mir und meiner Familie finden. Er war immer irgendwie gehetzt, ständig auf Achse und nur zum Schlafen ist er nach Hause gegangen. Nachdem er eingesehen hat, dass unsere Beziehung tatsächlich beendet ist (was ziemlich lang gedauert hat), hat es nur ein paar Wochen gedauert, bis er eine andere geschwängert und geheiratet hat. Und nicht einmal zwei Jahre, bis auch sie ihn nicht mehr ertragen konnte. Danach hatte er recht schnell die nächste und übernächste und so fort. Jetzt lebt er seit einiger Zeit allein. Hätte ich nie gedacht, dass dieser Tag einmal kommen würde. Aber von mir hat das ja auch keiner erwartet.
Irgendwie habe ich auch eine Tendenz, solche Leute magisch anzuziehen.
Als nächstes kam M. an, mit dem ich seit drei Monaten nicht gesprochen habe. Er hat damals irgendwie am Rad gedreht, mich ziemlich beleidigt und daraufhin habe ich ihn von meiner Liste gekickt. Er hätte sich ja entschuldigen können, aber offenbar wollte er lieber warten, bis das alles vergessen ist. So leicht wollte ich es ihm nicht machen. Ich meinte, es sei mal eine Entschuldigung fällig. Er hat lange, sehr lange immer wieder angesetzt, etwas zu schreiben und es dann doch nicht getan. Schließlich kam er mit einer Reihe Rechtfertigungen an, die sich auf mein eigenes Fehlverhalten bezogen. Ich habe ihm erklärt, dass ich mich sicher dafür entschuldigt habe und dass es auch nicht darum geht, dass einem mal der Kragen platzt, sondern eben darum, sich dafür zu entschuldigen, wenn man erkannt hat, dass es scheiße war. Es ist ihm sichtlich schwer gefallen. Er hat es auch nur indirekt getan und auch nur bezogen auf die Art, wie er es gesagt hat. Aber da ich sowieso schon lange nicht mehr böse deswegen war, wollte ich auch nicht Erbsen zählen. Jedenfalls habe ich mich wieder gewundert. Als dann nämlich der Frieden wieder hergestellt war, wollte er mir irgendwelche Schocker aus der Zeit offenbaren, wo wir ein kleines Intermezzo hatten. Ich dachte dabei eher an Dinge wie, dass er zu dem Zeitpunkt durchaus noch mit seiner Ex zusammen war oder etwas dergleichen. Tatsächlich aber offenbarte er mir, dass ihm ziemlich viel daran gelegen hatte und er es jederzeit wieder machen würde. Davor hatte er mir eigentlich regelmäßig unter die Nase gerieben, dass er ja nie mit mir zusammen sein hätte können und dass er es beendet hätte. Dass es ihm zwar nicht nur um Sex gegangen wäre, aber es auch nicht besonders viel bedeutet hätte. Und jetzt das? Wieder wunderte ich mich. Überhaupt bin ich nur noch am mich-wundern. War mein Verständnis von Menschen früher ein simpler Kupferstich, kommt es mir inzwischen wie ein surrealistisches Hologramm vor.

... link (0 Kommentare)   ... comment