Freitag, 7. August 2009
Ultimativ
In Anbetracht der Tatsache, dass C.s und meine Historie zyklisch seit sechs Jahren denselben Verlauf nimmt, das Zusammenfinden, das Annähern, das Streiten, das Meiden und wir nie so weit gekommen sind wie jetzt, habe ich für mich ein Ultimatum beschlossen. Seit drei Wochen dümple ich vor mich hin - so lang ist kaum das, was man als "Beziehung" bezeichnen möchte, gegangen. Manchmal ist es schon aberwitzig. Das größte Arschloch von allen hätte noch immer fast alle Möglichkeiten bei mir.
Leider verhält es sich mit C. so, dass Möglichkeiten ihm schreckliche Angst machen, denn sie beinhalten die Möglichkeit zu scheitern. Ich teile diese Ansicht nicht.
Das irrwitzige ist, dass C. trotz seiner menschenfeindlichen Art immer wieder einzigartige Chancen bekommt, für die andere sich den Arsch aufreißen würden. Ich wage zu behaupten, dass das auch mich betrifft. Eine Frau wie mich würde er unter normalen Umständen allenfalls von Ferne sehen. Vielleicht war das sein Problem.
Das andere großartige Angebot hat F. ihm gemacht. Für ihn arbeiten, als seine rechte Hand und das ohne Studium, als 26jähriger, der den Keller seiner Eltern höchstens zu gemeinschaftlichen Besäufnissen verlässt und dessen Zukunft nach Hartz IV riecht, falls er es denn schafft, es zu beantragen.
Er hat auf F.s Angebot überhaupt nicht reagiert, woraufhin F. sehr beleidigt war. Ich habe ihm erklärt, dass C. sich dieser Sache kaum gewachsen fühlen kann. Nicht, dass er nicht die Fähigkeiten hätte - allein der Mut fehlt, aber den kann ihm niemand geben. Vielleicht sollte ich mich auch als zu große Herausforderung betrachten. Dann müsste ich mich zumindest nicht länger wegen meiner Beziehungsunfähigkeit herumquälen.
Es war von Anfang an schwierig. Ich habe eine eigene Wohnung, C. nicht. Ich habe Führerschein und Auto, er nicht. Ich verdiene mein Geld selbst, er nicht. Ich habe ein fast abgeschlossenes Studium, er nicht. Ich habe Pläne und Hoffnung, er nicht. "In deiner Gegenwart fühle ich mich als Frau", sagte er nach unserem ersten Treffen. "Sollte nicht ich auf dich zukommen?" Ich antwortete: "Wenn ich warte, bis du auf mich zukommst, passiert gar nichts."
Aber zurück zum Ultimatum. Seit drei Wochen warte und hoffe ich, dass er auf meine Anrufe oder Mails reagiert - vergebens. Es schlägt mir aufs Gemüt und ich bin nicht gewillt, diesen Zustand noch weiter auszudehnen. Also habe ich ihm eine vorletzte Mail geschrieben. Er hat noch Zeit bis zu seinem Geburtstag, sich zu überlegen, ob er möglicherweise doch noch etwas mit mir zu tun haben will. Ich weiß, wie er darauf reagieren wird. Mit Trotz. Er wird denken: Ich lass mich doch nicht erpressen! und erst recht nicht antworten. Ich will keine Erpressung, aber ich will auch weiterleben. Letztlich bleibt es ja seine Entscheidung. Aber es wird darauf hinauslaufen, dass er mich aus seinem Leben streicht. Er hat zwar ohnehin kaum jemanden zum Reden, aber solange er Alkohol hat, geht das wohl in Ordnung.
Sollte er sich bis dahin nicht melden, werde ich ihn unwiderruflich aus meinem Leben streichen. Ich will das nicht und vermutlich werde ich es ohnehin nicht schaffen, denn wenn jemand zu mir kommt und mich um Hilfe bittet, kann ich ihm nichts abschlagen. Ich kann niemandem lange böse sein. Aber weiter nachlaufen werde ich ihm auch nicht.

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La Passion Teil 6
Es lief eine Serie, wo jemand verhört wurde. Der Polizist sagte schließlich: "Dieses Zittern, das kenne ich. Das sind Entzugserscheinungen vom Alkohol."
Plötzlich ergab alles einen Sinn. Nicht, dass ich das nicht schon Wochen vorher hätte sehen können, aber da wurde mir der Ernst der Lage bewusst.
C. zitterte eigentlich immer ein bisschen, einmal mehr, einmal weniger. Er hatte auch Herzrhythmusstörungen. Anfangs führte ich es auf die Aufregung zurück (was sicher auch zum Teil ein Grund war) und später fiel es mir nicht mehr auf.
Ich hatte mich gewundert, warum er immer das Gefühl hatte, ich hätte etwas dagegen, wenn er trinkt.
Und schwupps, da war der Grund, weshalb er soviel Zeit für sich brauchte und weshalb ich ihn nie spontan besuchen durfte.
Auf einmal reihten sich alle Details aneinander. Die Flasche Whiskey, die er hinter seinem Bildschirm versteckte. Die Tabletten in der Schublade, die ich nicht sehen sollte. Das Zittern und Schwitzen. Die fadenscheinigen Ausreden dafür, dass er keine Zeit hatte. Der Schluck Whiskey, den er nur "so zum Spaß" genommen hatte, als ich kurz im Bad war. Der Vollrausch, zu dem er eine halbe Flasche Whiskey, eine Flasche Wein und sieben Flaschen Bier gebraucht hatte.
Und in meiner momentanen Verblüffung hatte ich nichts besseres zu tun, als ihn darauf anzusprechen.
Ich habe eine Weile überlegt, ob ich das Wort "Alkoholiker" verwenden sollte. Dann habe ich es getan. Obwohl ich ahnte, wie er darauf reagieren würde. Das war mein Beitrag zum Ende unserer kurzen, komplizierten Beziehung.
Ich fragte mich, ob seiner Familie all das entgangen war. Ob sie gar nicht wussten, wie es um C. steht. Tatsächlich fördern sie seinen Alkoholkonsum mit schöner Regelmäßigkeit. Die Flasche Whiskey zu Weihnachten ist dabei noch das harmloseste Beispiel. Einerseits verstehe ich es irgendwie, denn mit C. ist oft schwer zu reden, wenn er nichts getrunken hat. Andererseits ist es verantwortungslos und egoistisch. Ich habe mich auch des öfteren bei dem Gedanken ertappt, dass man ihn mal abfüllen müsste, um herauszufinden, was wirklich in ihm vorgeht. Aber der Gedanke, so naheliegend er ist, ist irgendwo pervers und hochgradig selbstsüchtig.
Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass er nicht mehr mit mir redet, wie er es sonst macht. Stattdessen bekam ich eine Mail, die ich als sehr aggressiv empfunden habe. Volltreffer. Danach habe ich tausendmal versucht, ihn zu erreichen, per Telefon, per icq, per mail. Er hat nur noch ein einziges Mal geantwortet, um mich zu beleidigen und mir ein schönes Leben zu wünschen.
Er fehlt mir.

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La Passion Teil 5
Ich war ohnehin schon unterwegs.
Als ich ankam, sah er völlig anders aus als sonst. Später dachte ich mir: Da hast du sein wahres Gesicht gesehen. Er dünstete aus allen Poren Alkohol aus, war übernächtigt und zerknittert.
Er entschuldigte sich, ich entschuldigte mich. Und mit der Zeit kehrte wieder Frieden ein.
Ein paar Tage später konnte ich ihn sogar dazu überreden, bei mir zu übernachten. Wir waren beide todmüde, hielten uns mit Seriengucken wach, aber als wir bei mir waren, konnten wir doch nicht schlafen. Irgendwie hatte ich ständig das Gefühl, es könnte das erste und letzte Mal sein, dass dies passiert. Wir kuschelten, küssten uns und ich durfte ihn endlich auch an anderen Stellen als am Rücken berühren. Schlafen konnte ich nur kurz. Als ich erwachte, schaute er mich an und sagte, im Schlaf sei ich ganz friedlich.
Ich musste zur Uni, lieferte ihn unterwegs bei sich daheim ab und schleppte mich durch den Tag.
Am nächsten Tag fragte ich ihn, ob ich am Wochenende bei ihm schlafen könnte. Ich dachte an Freitag oder Samstag, er plädierte auf Sonntag. Ich fand Sonntag schlecht, weil ich nicht wieder so völlig kaputt in der Uni erscheinen wollte. Ich war beleidigt, weil er - der keinerlei Verpflichtungen hat - mir keinen Tag am Wochenende einräumen wollte, er war sauer, weil er meinte, ob deswegen immer alles nach mir gehen müsse.
Als ich dann Freitagabend daheim saß und nebenher der Fernseher lief, kam mir plötzlich die Erkenntnis. Man könnte sagen, sie traf mich wie der Blitz beim Scheißen.

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La Passion Teil 4
Sein Vater öffnete die Tür und war der irritierteste Mensch, den ich je gesehen habe. Erst dachte er wohl, ich wolle ihm etwas verkaufen. Als ich sagte, ich wolle zu C., schien er im ersten Moment nicht zu wissen, wer das ist. Offenbar habe ich Eindruck gemacht.
Ich ging nach unten. C. sah furchtbar nervös aus. Er zitterte am ganzen Körper. Er zitterte auch nach einer halben Stunde noch so, dass er kaum trinken konnte. Es muss ihn unheimlich Überwindung gekostet haben, mich zu empfangen.
Wir unterhielten uns sicher drei Stunden lang sehr gut. Schließlich forderte ich ihn auf, sich zu mir zu setzen. Wir umarmten uns und er sagte: "Ich würde dich gerne küssen." Wir küssten uns und es war sehr schön. Aber anfassen durfte ich ihn nicht. Nur am Rücken.
Dann war ich verliebt. Und er zwei Tage verschwunden. Keine Nachricht, nichts. Ich machte mir Sorgen und es schlug mir auf den Magen.
Als er wieder auftauchte, tat er, als sei das völlig normales Verhalten. "Ich habe dir ja gesagt, ich brauche viel Zeit für mich." Ich fragte, ob wir uns am nächsten Tag sehen wollen. Er sagte nein. Ich war beleidigt.
In der nächsten Zeit lief es immer so, dass er einen Tag Vorlaufzeit hatte, bis wir uns sehen konnten. Warum er "soviel Zeit für sich" brauchte, konnte oder wollte er mir nicht erklären. Ich war sauer, dass er in 50% der Fälle, wo ich ihn fragte, ob wir uns sehen wollen, nein sagte. Er fragte mich nie. Er rief mich nie an. Und ich wurde nörgelig. Ich begann, ihn eifersüchtig zu machen, denn es gibt tatsächlich genug Leute, die mir mehr Zeit, Interesse und Aufmerksamkeit schenken. Ich wollte diese Aufmerksamkeit von ihm, aber ich habe sie nicht bekommen. Also ging das alte Spiel von vorne los.
Wir waren zusammen, es war großartig. Und am nächsten, spätestens übernächsten Tag, brach die Katastrophe herein. Einmal, als ich deprimiert war, würgte er mich ab und beleidigte mich. Ich dachte, nun sei die Sache gegessen. Ich heulte ein bisschen. Am nächsten Tag rief er mich an und fragte, ob ich vorbeikommen wolle.

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La Passion Teil 3
Er war fasziniert, dass jemandem seine Abwesenheit aufgefallen war. Er hatte einen Freund besucht. "Für so fertig haltet ihr mich?", fragte er und es klang leicht amüsiert.
Und das alte Spiel nahm seinen Lauf. Wir chatteten ein, zwei Wochen, dann wieder die Ignoranz-Aggressions-Spirale. Bis ich mich eines Abends fragte, wieso ich diesem Arschloch überhaupt immer wieder nachlief. Ich beschloss, ihn ein für alle Mal abzuhaken. Und siehe da: Plötzlich war er es, der sich nach einiger Zeit wieder meldete.
Wir chatteten wieder, diesmal funktionierte es eine Zeitlang recht gut. So gut, dass er auf die Idee kam, wir könnten uns doch mal wieder treffen. Ich war einverstanden, er gab mir seine Adresse. Und brach nur einen Tag später einen Streit vom Zaun. "Ich glaube, wir lassen das besser" usw. Ich war irritiert, fand es schade, aber war nicht darauf aus, ihm weiter nachzulaufen.
Eine Woche später schrieb er mich wieder an. Er entschuldigte sich in Großbuchstaben und begann zu erklären, wieso und weshalb ich nicht vorbeikommen sollte. "Ich schäme mich. Für das, was ich bin und wie ich lebe." Er fand es einfacher, einen Streit vom Zaun zu brechen, als mir in deutlichen Worten zu sagen, dass er es sich anders überlegt habe.
Er war sturzbetrunken. Er erzählte noch mehr. Dass er Angst habe, ich könnte Sex wollen. Sex sei etwas, wovor er generell Angst habe. Eine Beziehung wolle er sowieso nicht. Usw. usf.
Irgendwann wollte er plötzlich telefonieren. Das war ganz neu. Er rief mich an und wir redeten die ganze Nacht. Er beschloss, dass ich ihn doch besuchen sollte. So sei es.
Ein paar Tage später machte ich mich auf den Weg zu ihm. Ich war recht entspannt und freute mich darauf, ihn wieder zu sehen.

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La Passion Teil 2
Über die Jahre haben C. und ich immer wieder gechattet, uns immer wieder gestritten und immer wieder habe ich irgendwann den Kontakt erneut aufgenommen. Ich weiß gar nicht, warum eigentlich. Ich habe Jahre lang auf den Moment gewartet, wo er endlich anfängt, sein Leben in die Hand zu nehmen. In ihm steckt ein wunderbarer Mann mit großartigen Fähigkeiten, ein Mensch, der etwas erreichen und glücklich sein könnte.
Aber dieser Moment ist nie gekommen. Vor etwa zwei Jahren, als ich endlich meine eigene Wohnung hatte, habe ich ihn wieder angeschrieben. Er erzählte, dass er inzwischen vom Kiffen abgekommen sei und zum Alkohol gewechselt habe. Wahrscheinlich folgte nach einiger Zeit wieder ein Streit und ich sah endlich ein, dass es keinen Sinn hatte, ihm ins Gewissen zu reden. Ich gab ihn auf.
Man sagt, unterschiedliche Biorhythmen seien ein häufiger Trennungsgrund. Das gleiche gilt auch umgekehrt. Es gibt nicht viele Menschen, die einen so abwegigen Tagesrhythmus wie ich haben. Genau genommen kenne ich nur zwei und einer davon ist C. So kam es, dass ich Weihnachten letzten Jahres auf die Idee kam, ihn mal wieder anzuschreiben, als ich mitten in der Nacht Langeweile hatte. Wir plauderten wie üblich, als wäre nie etwas gewesen. Er erzählte (das habe ich letzte Woche nachgelesen und ich war verblüfft, wie schnell man Dinge verdrängt), seine Eltern hätten ihm eine Flasche Whiskey geschenkt. Aber darauf komme ich später zurück.
Es dauerte nicht lang und wir kamen wieder auf das alte leidige Thema, dass er nichts aus seinem Leben macht. Er begann wieder, mir nicht mehr zu antworten, ich begann wieder ausfallend zu werden. Und dann hakte ich ihn ab. Zum zweiten Mal.
Wochen später fragte F. mich, wo C. sei. "Der war schon über zwei Wochen nicht mehr on. Nicht, dass er sich umgebracht hat." Wir versuchten, C. zu erreichen, erfolglos. Wir machten uns Sorgen und beschlossen, bei ihm vorbeizufahren, wenn er weiterhin verschollen bliebe. Doch ein paar Tage später tauchte er wieder auf.

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